Wenn ich heute an der Strandpromenade von Costa Adeje entlanggehe, rieche ich Sonnencreme und Meerluft, höre ein halbes Dutzend Sprachen – und frage mich: Ist das noch das Teneriffa, das ich einmal kennengelernt habe?
Damals war die Insel wild, authentisch, fast ein Geheimtipp. Heute ist sie eines der meistbesuchten Reiseziele Europas. Über sechs Millionen Menschen kommen jährlich hierher – auf eine Insel mit nicht einmal einer Million Einwohnern.
Der Tourismus ist das Herz der Inselwirtschaft. Ohne ihn stünde vieles still. Doch dieses Herz schlägt inzwischen sehr laut – und manchmal ein wenig zu schnell.
🏖️ Vom Sonnenpaket zum Erlebnisurlaub
Der Wandel begann schleichend. Früher kamen Sonnenhungrige mit Pauschalangeboten, Charterflügen und All-inclusive-Bändchen. Heute lockt Teneriffa neue Zielgruppen: digitale Nomaden, Wanderer, Surfer, Menschen, die „echte Erlebnisse“ suchen.
Man arbeitet mit Laptop im Café in El Médano, erkundet Vulkankrater oder fotografiert Sterne am Teide.
Teneriffa hat sich angepasst – es gibt Boutique-Hotels, Agrotourismus-Höfe und Eco-Resorts. Doch gleichzeitig wachsen weiter riesige Hotelkomplexe aus Beton, wo früher Bananenplantagen standen.
Der Wandel ist kein klarer Bruch, sondern ein Riss zwischen zwei Welten: zwischen Masse und Maß, zwischen Wachstum und Erhaltung.
⚖️ Wenn das Paradies an seine Grenzen stößt
Immer mehr Einheimische spüren, dass etwas kippt.
Mieten explodieren, weil Wohnungen zu Ferienapartments umgewandelt werden. Staus verstopfen die Straßen, Müllberge wachsen, Wasser wird knapp.
Im Frühjahr 2024 gingen Tausende Menschen auf die Straße – unter dem Motto: „Canarias tiene un límite“ („Die Kanaren haben eine Grenze“).
Es war kein Protest gegen Touristen, sondern gegen ein System, das Profit über Lebensqualität stellt.
Wenn Lehrer und Krankenschwestern keine bezahlbare Wohnung mehr finden, wenn Gemeinden ihre Strände säubern, während große Hotelketten Dividenden auszahlen – dann hat der Tourismus sein Gleichgewicht verloren.
Auch die Natur leidet: ausgetretene Wanderpfade, gestörte Ökosysteme, Boote, die Delfine jagen, um Touristen glücklich zu machen.
Die Insel lebt vom Tourismus – aber sie droht auch an ihm zu ersticken.
🌱 Auf der Suche nach neuen Wegen
Doch es gibt Hoffnung. Immer mehr Menschen auf Teneriffa denken um.
Kleine Landhotels setzen auf Solarstrom, lokale Produkte und Wasserrecycling. Umweltinitiativen schützen Küstenzonen und Wiederaufforstungsprojekte bekämpfen Erosion.
Auch Reisende selbst verändern sich: Sie fragen nach nachhaltigen Unterkünften, meiden Plastikflaschen, suchen Kontakt zu Einheimischen.
Selbst Behörden reagieren langsam. Neue Regulierungen für Ferienwohnungen sollen Wohnraum schützen, und Förderungen für nachhaltige Mobilität sind in Planung.
Aber Vorschriften allein werden nicht reichen. Was Teneriffa braucht, ist Bewusstsein – auf beiden Seiten. Touristen müssen verstehen, dass sie nicht bloß Gäste sind, sondern Teil eines empfindlichen Systems.
🌅 Ein persönlicher Wunsch
Vor kurzem saß ich zwischen Playa Paraíso und Callao Salvaje am Meer, beobachtete den Sonnenuntergang, hörte Kinder lachen und die Wellen rauschen. Kein Verkehr, kein Gedränge. Nur dieses Gefühl: So sollte Teneriffa sein.
Vielleicht liegt genau dort die Zukunft – in der Rückbesinnung auf das, was die Insel wirklich ausmacht: Ruhe, Natur, Authentizität.
Weniger ist manchmal mehr. Weniger Flüge, weniger Beton, weniger Lärm. Dafür mehr Begegnung, mehr Respekt, mehr Bewusstsein.
Teneriffa muss sich nicht neu erfinden. Es muss sich nur daran erinnern, was es immer schon war: ein Ort der Schönheit, der Vielfalt – und des Lebens.
Und wir alle, die hier leben oder zu Besuch kommen, tragen Verantwortung dafür, dass es so bleibt.
🌌 Schlussgedanke
Der wahre Luxus von morgen ist vielleicht nicht das Fünf-Sterne-Hotel mit Infinity-Pool, sondern eine stille Nacht unter den Sternen von El Teide – in einer Welt, die gelernt hat, Maß zu halten.
Bernd Weisser
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